Die Abenteuer von Rock’n’Roll-Kid (Folge 1000)

Heute geht es wieder einmal um mich. Aber nicht nur. Meine alten Geschichten sind einfach so herzerfrischend, warum sollte ich sie Euch vorenthalten? Und wenn ich nun erzähle, wie das kam, dass ich eben jene coole Sau wurde, die ich heute bin ? wieso nicht? Schaden kann die Lektüre Dir, lieber Leser, jedenfalls nicht. Bleibe hängen, hier an meinen Lippen, oder lehne Dich zurück und lausche, wenn es nun einmal mehr heißt:
Welcome to the rock’n’roll-hell of (young) Aloisius.
Noch vor der Zeit, als man mich mit 11, 12, 14 Jahren das alternative Kind nannte (hier wurde berichtet, und hier auch), kam der Rock?n?Roll in mein kleines, junges Leben. Kein Scheiss, Mann, das war im Kleinkinderalter (hier wurde berichtet).
Als, in Deiner Pubertät, der Rock?n?Roll und der Duft von Rebellion in Dein Leben trat, war FRATER ALOISIUS schon längst Experte, und zwar für beides! Nur hieß ich damals noch anders, nämlich ROCK?N?ROLL-KID! Und so ein Kid ist natürlich ein einsames Kid. Und die Einsamkeit macht immer auch ein wenig ängstlich. Da war ich froh, als ich, im Frühjahr 1977 einen echten Freund kennenlernte.

ROCK’N’ROLL-KID trifft anderes Rock’n’Roll-Kid

In jenem Frühjahr begann ich mich nämlich zu fragen, wie es wohl für ein Rock?n?Roll Kid wie mich in der Schule werden würde. Die Einschulung stand bevor und ich hatte die leise Ahnung, dass diese Anstalt sich als ähnlich grässlich entpuppen könnte, wie der Kindergarten es gewesen war. Doch dann traf ich einen Gleichgesinnten. Ein langhaariger, etwas schäbiger Junge, etwa sechs Jahre alt, genau wie ich. Fuhr in unserer Strasse mit dem Fahrrad herum, fragte, ob wir Freunde sein wollten. Ich bejahte, vorerst, stellte aber gleich eine Gegenfrage: Was für Musik hörst’n Du??. Sicher keine typische Frage unter Sechsjährigen. Aber Ivan, so hieß er, war nicht um eine Antwort verlegen, oh nein! <i>?ROCK?N?ROLL-MUSIK!!!!!!!!? kreischte er und riss die Fäuste hoch!
Ich hielt dieses unwahrscheinliche Zusammentreffen für einen Glücksfall. Der einige Wochen später sich wiederholen sollte, als ich nämlich bei der feierlichen Einschulung in Tschernovülbel Ivan wieder traf und wir sogar in die gleiche Klasse kamen. Wir setzten uns nebeneinander und wurden die meistangemeckerten Jungs der Klasse.
Ich spielte Ivan nachmittags meine damaligen Rockplattensammlung vor, also Johnny Winter, Procol Harum und eine Compilation namens ?Ritual Fire Dance? mit Uriah Heep, Black Sabbath und Konsorten.
Meinen ersten Besuch bei Ivan habe ich auch noch in Erinnerung. Er wollte mir nun seine Lieblingsplatte vorspielen, nämlich Can the can von Suzi Quatro. Die Familie wohnte in so einem Wohnblock. Der Vater, halb so alt wie mein Papa, lümmelte sich (am helllichten Tage ? arbeitslos oder Schichtarbeiter???) auf dem Sofa herum und schaute fern und blödelte mit Ivans kleiner Baby-Schwester herum. Begrüßte mich freundlich. Ivan fragte, ob er mal die Suzie Quattro Platte auflegen dürfe. Die gehörte nämlich dem Vater! Unglaublich kam mir das vor! Ich hatte gedacht, Eltern hörten Barock, Klassik, oder irgendwelche Kirchenmusik. Meine gesamte Kindheit und Jugend über ist nämlich mein Papa niemals, nicht ein einziges Mal, ausser wenn er wirklich in Eile oder grottenschlecht gelaunt war, durch unser Treppenhaus gelaufen, ohne ?Lobet den Herrrrrrn, den mäch-ti-gen König der Eeeeehren!!!!!!? zu schmettern. Und die Johnny Winter LP hatte Mama ja versehentlich gekauft. Dieser Vater hingegen lümmelt sich da rum und hat Suzie Quattro im Schrank stehen! Und, auweia, ?can the can? war ja wirklich saustark! Einfach astrein! Ich liebe ?can the can? noch heute. Die Freundschaft mit Ivan jedoch hielt nicht ewig, ist ja auch egal, jeder orientierte sich irgendwann anders.

Etwa mit 18 oder 19 habe ich Ivan wieder getroffen, da war meine Punkrocker-Karriere mit HEINRICH WAR ALS KIND SCHON EINSAM gerade vorbei und Ivan erzählte mir, er spiele Bass und seine Band mache Noiserock à la Sonic Youth. Alle Achtung! Noch etwas später erfuhr ich, Ivan sei an einer Überdosis Heroin gestorben. Dieser Text hier ist ein Denkmal für Ivan. (Natürlich hieß er nicht wirklich Ivan). Ich lege ?can the can? von Suzi Quatro auf und bitte die Rock?n?Roll-Götter, anständig mit seiner guten Seele umzugehen.

Can the can:

Die Cover-Rückseite von „ritual fire dance“, auf der ich als Kind herumgekritzelt hatte:

zeitgenössische Malerei:

Dieser Beitrag wurde unter Die beste Musik dieses öden Planeten, Heiterer Anekdotenalmanach from hell abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.