Bizarre-Festival Giessen 1991

mein ticket bizarre festival giessen 1991

Das Bizarre-Festival in Giessen im Jahr 1991 gehört zu meinen erstaunlichsten Konzerterlebnissen überhaupt. Die Ereignisse kann man sogar bei Wikipedia nachlesen, nämlich hier im Eintrag über jenes geschichtsträchtige Festival, dessen Name inzwischen Terremoto lautet.

 

 Ich zählte bereits 20 Lenze, trotzdem war dies mein erstes richtig großes Festival. (Stimmt ja gar nicht, aber egal).

 

 Einige meiner Lieblinge sollten spielen, DANZIG, IGGY POP, PIXIES, BAD RELIGION und viele Indie-Ikonen mehr. Die Veranstaltung dauerte zwei Tage, ein Wochenende im Juni, und wir fuhren zu acht oder so mit zwei bis drei Autos hin. Curly war dabei, ich, Mr. Docmatic, Braumeister, Smelly, Moshpit, ich weiss gar nicht mehr wer alles. Muss mal recherchieren. Bereits Freitag Nachmittag rückten wir an, schon auf der Autobahn waren die vollbesetzten Rostlauben der Indierocker, besprüht oder aufbeklebert, deutlich erkennbar. Eine Karawane der Verwesten. In Giessen dann überall Hinweise,  Ordner und Bullen, Autoschlangen, Menschenmassen, Chaos. Man sollte auf die jeweiligen Zelt-Areale geleitet werden. Bald wussten wir den Grund der chaotischen Verhältnisse, Montags drauf stands ja auch in den Zeitungen. (Die bräuchte ich übrigens: Zeitungen aus Giessen vom Montag, 01. Juli 1991. Kann man sicher auftreiben, bloss ned online, hehe.) Man hatte 28.000 Tickets für das Festival verkauft, aber nur 5.000 Zeltplätze bereitgestellt und obendrein nicht damit gerechnet, dass der Großteil der Fans schon freitags aufkreuzen würde… So wurde das öde hessische Städtchen von zigtausenden abgerissenen, überwiegend bunthaarigen und in schwarz gehüllten Gestalten überrannt. Die Massen bahnten sich ihren Weg in Parks, Gärten und einfach überall hin, die unglücklichen Ordnungshüter wussten gar nicht, wohin mit den vielen Autos. Wir zum Beispiel landeten mit Zelten und Autos in einem Park, an einem Teich, bei Schwänen. Ich dachte zuerst: Was für eine geile, liberale Stadt, die ihren jungen Gäste einfach überall zu Campen gestattet!!! Man erfuhr ja auch erst später, dass das SO nicht geplant war!

 

 Das eigentliche Festival war klasse, die einzelnen Auftritte unterschiedlich. Will gar nicht auf alle eingehen. DANZIG, der „evil Elvis“, der „Schinkengott“ legte natürlich  einen göttlichen, verzeihung, natürlich teuflisch guten Auftritt hin!

 

 Passma auf, bloß eins noch: THROW THAT BEAT IN THE GARBAGECAN (heute nur noch THROW THAT BEAT, scheiss Verkürzungen) schrammelten ihren verspielten, naiven Indie-Pop am Sonntag morgens um 10 oder 11 Uhr als allererste Band des zweiten Tages. Wenige hörten zu, viele schliefen noch,  aber ich stellte mich ganz vorne hin  und lauschte und es kamen mir, ich weiss nur vage warum, bin ja kein Psychater, jedenfalls kamen mir TRÄNEN. Gottseidank trug ich Sonnenbrille. Das war eben rührend, na und! Auf eine niedliche Weise, einfach soooooo schöne Musik.

 

 Viele Jahre später, vielleicht 1995, hatte ich Gelegenheit, dem Sänger von T.T.B.I.T.G.C., Klaus Corfield, diese Geschichte zu erzählen. Er hat sich gefreut. Diese Begegnung wiederum trug sich zu auf einem Festival an der Borsigallee in FFM, welches man übrigens kaum finden konnte, so versteckt war es in einem Hinterhof. Und so schlecht besucht. Dabei gastierten dort auch die SPICE,  die für mich beste deutsch Funk-Band. Die besten Momente finden eben unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

 

 Ach ja: Das Bizarre-Festival fand nie wieder in Giessen statt. Und in folgenden Jahren erst mal auch nicht mehr zweitägig. Mit Kurti fuhr ich 1992 nochmal hin, da war es in Alsfeld bei Aachen und es gab einen verpatzten RAMONES-Auftritt über lächerliche 10 Minuten und die POGUES mit Joe Strumer als Gast-/Aushilfssänger. Fast schon ein würdiger Ersatz für den unnachahmlichen Shane McGowan. Wir waren mit Papas weissem Passat (oder Audi?) dort, der hinten diesen schicken Spoiler aufweist. Eine geile ?Brotzeitplatte?. Kurti und ich stellten uns auf dem Zelt- und Parkplatz hinten ans Auto, den Spoiler als Theke,  und tranken dort unseren Espresso aus der Caffetiere frisch vom Campingkocher. (Ganz recht, Caffetiere: Auch bekannt unter der Bezeichnung achteckige-Aluminium-Kanne-für-auf-den-Herd.) Ein bisschen Stil muss sein, ohne geht?s nicht, auch nicht inmitten des biertrinkenden jugendlichen Mobs, harharharhargggghhh.

 

 Am coolsten gefiel uns damals diese britische Shoegazer-Band SLOWDIVE. Die hörten wir uns im liegen an und staunten, wie klasse deren semigenialer, verschlafener Wabbel-Sound kommt, wenn man die Lauscherchen direkt überm Gras hat. Die Vibrationen, die sonst die Hosenbeine schlabbern lassen, verteilen sich, dort unten liegend, viel besser auf den ganzen Mann. Das nur mal so als Tip!

 

Tschü-hüs, Frater Aloisius   

 

 

 

    

 

 

 

 

 

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