Bands, mit denen ich bisher nur Pech hatte. Folge 1000: Die OZRIC TENTACLES

Ich liebe die Ozric Tentacles.

Anfang der Neunziger Jahre las ich über das psychedelische Hippiekollektiv und ihren instrumentalen Spacerock einen begeisterten Artikel und rannte darum flugs zum WOM, um in diese Musik einmal selbst reinzuhören und mir ein Bild zu machen (Nix Internet, nix Myspace, nix Youtube! Ist länger her).

Ein Erlebnis. Absolut einzigartige Musik, von der ich nicht gewusst hatte, dass es sie gibt. Neue Klänge. Freakkultur. Wahnsinn.
Sogleich kaufte ich alle zwei oder drei Platten, die von den Briten vorrätig waren und hörte sie fürderhin rauf und runter.

1995, im Mai, reisten Bibi und ich nach Rom. Es war natürlich wunderbar, die Stadt der Verliebten. Wir liefen tierisch viel herum, besichtigten viel und sanken abends ermattet in die Laken…. Eines Morgens fiel uns in der City ein Plakat auf, das einen Auftritt der Ozrics am selben Abend (29.5.1995 muss es gewesen sein, dafür gibt es Gig-Guides im Web) im „Palladium“ in Rom ankündigte. Ich war elektrisiert. Aber wie es halt so ist: Am Abend taten uns mächtig die Füße weh und wir sagten: „Scheiss drauf, die spielen bestimmt auch bald mal in Deutschland“. Was allerdings sechs Jahre dauern sollte…

2001 war ein unvergessliches Jahr. Die Geburt von Minimaus im Mai, das erste Kind! Down Syndrom. Was war das denn! Eine Überraschung, eine neue Situation, mit der keiner gerechnet hatte und die uns völlig beanspruchte. Niemals wäre ich in der ersten Zeit von Bibis und Minis Seite gewichen!

Im Juli dann aber schon. Die Ozric Tentacles sollten nämlich, nachdem ihre Beteiligung Jahre vorher bereits mehrfach geplatzt war, auf dem Burg Herzberg-Festival spielen, jenem lustigen Hippie-Festival, welches uns allen damals als jährlichen Pflichttermin galt.
Bibi ermunterte mich: „Minimaus und ich schaffen’s auch mal drei Tage ohne dich, fahr‘ ruhig hin.“

Machte ich auch. Mit Kurti und mit Marlene in ihrem kleinem Auto-chen randvoll mit Zelten und Campingkocher und Schlafsäcken ecetera ecetera ecetera.
Es tat gut, mal wieder abzuschalten.
Wie es bei großen Festivals so ist, brach allerdings bei der Anreise ein Verkehrschaos aus. Massen von Autos verstopften die kleine Zufahrtsstrasse zum Festival-Parkplatz. Zu allem Überfluss kontrollierten Zoll und Bullen ausgewählte Fahrzeuge auf gesellschaftszersetzende Substanzen. Wir hatten keine schlimmen Substanzen dabei, trotzdem erschien uns die Situation unangenehm. Wer kriegt schon gerne von den Bullen das Auto auseinandergenommen. Aber für uns interessierten die sich gar nicht, pah!
„Wir sehen wohl nicht gefährlich genug aus, was, Herr Wachtmeister?!?“ 
Nichts bewegte sich mehr, einige Kilometer vorm Ziel waren wir eingekeilt und beschlossen deshalb, das Auto einfach am Straßenrand abzustellen, um aufs Festgelände zu pilgern. Wo es auch gleich ganz gemütlich wurde, die ersten Bands spielten bereits und der laue Abend senkte sich langsam über die Wiesen und Stoppelfelder. Meine Vorfreude auf die Ozrics, die bald am späteren Abend die Bühne besteigen sollten, wuchs immens. Marlene und Kurti war es mehr oder weniger egal. Nicht in jeder Brust schlägt ein Fanboy-Herz wie hier drin bei mir.

Plötzlich kam uns wieder Marlenes Auto in den Sinn, mit unseren Zeltsachen drin und ungünstig an der nächtlichen Landstrasse wartend. „Wir müssen die Karre holen und vernünftig auf den Parkplatz stellen. Außerdem brauchen wir unsere Sachen.“, drängte Marlene und Kurti pflichtete ihr bei.
Ich dachte scheisse, tut mir das bitte jetzt nicht an ihr Banausen! Aber ich konnte ja schlecht sagen „Bringt Ihr beiden mal den Krempel, während ich hier ausharre.“ Zumal es einiges zu schleppen gab und der Parkplatz auch nicht gerade nah war. Mitgehangen…

Also ging ich mit. Nach einigen hundert Metern hörten wir die ersten Töne der Ozric Tentacles durch die Sommernacht wabern. Ich mahnte zur Eile, aber der Fußmarsch zum Auto zog sich. Dann zog sich die Fahrt, dann zog sich die Parkplatzsuche, das Ausladen, das Zeltplatzsuchen, das Aufbauen, alles zog sich. Als wir endlich wieder in Richtung Bühne gehen konnten, kamen uns verschwitzte Begeisterte entgegen. „Boah, war das geil“ und „Die beste Liveband, die ich je gehört habe“ hörte man ihre Kommentare. Wir hatten soeben eine der aufregendsten Bands des Planeten komplett verpasst. Doch ich war inzwischen zu müde, um mich zu ärgern… HEUL.

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