Als ich wegen URIAH HEEP zweimal fast geweint hätte

Eben kam das Stück „free me“ im Radio und meine Gedanken machten sich auf die Reise zurück in meine Kindheit. Ganz ohne Einleitung gehts nicht, aber ich möchte mich nicht ständig wiederholen, denn die Welt weiss doch bereits, dass man mich RocknRoll-Kid nannte, oder das alternative Kind und dass ich schon im frühen Kindesalter gute von schlechter Musik, cool von uncool, heiß von scheiß klar zu unterscheiden vermochte. RocknRoll war, ebenso wie Comic, Horror oder was sonst in irgendeiner Weise einer Art kulturellem Gegenentwurf nahe hätte kommen können, mein Ein-und Alles. Was hatte ich denn schon sonst im Leben? Eben.

Schon früh konnte ich geilen heavy Rock und seichtem Mist auseinanderhalten und besaß musikalisch geschulte Ohren. Dem Kleinkinderalter mit Johnny Winter und Procol Harum entwachsen, brachte mich als Erstklässler jemand älteres auf Uriah Heep und steckte mir deren „Salisbury“ (von 1971) und „best of“ (von ca. 1975) -Alben zu. Wie ich diese verehrte! Ein Wahnsinn, eine Offenbarung. DAS musste Hardrock sein! Die Heavyness von Stücken wie Bird of Prey oder Gypsy  brachte mich fast um meinen kleinen Verstand. Daran hat sich nie viel geändert.

Wie auch immer, eines Tages war ich mit Mama in Frankfurt zum Einkaufen und ich hatte irgendwas bei ihr gut, einen Wunsch frei. Vielleicht sollte ich für eine exzellente Note belohnt werden oder ich hatte hilfsbereit im Haushalt oder Garten gearbeitet. Wir liefen an einem Schallplattenladen vorbei und ich bedeutete Mama, dass wir stehen bleiben müssten. Im Schaufenster hing die neueste Uriah Heep Veröffentlichung, „innocent victim“ von 1977.

1977 oder 78 schrieben wir nämlich, als diese Geschichte spielt.

Ich war elektrisiert! Auf dem Cover prangte ein gefährlicher Schlangenkopf, die Giftzähne triefend vor Gift oder Blut, ich weiß es nicht mehr. Mama war nicht gerade leicht zu überreden, aber schließlich hatte ich sie so weit, dass sie mit mir reinging und mir die Platte kaufte. Ich konnte es kaum abwarten, bis wir endlich zuhause waren und ich die Nadel unserer BRAUN-Anlage (?Audio 310) auf die vinylglänzende Rillenscheibe setzen konnte.

Free me ertönte, und fast rannten vor Zorn und Enttäuschung die Tränen über mein zartes Gesicht. Was war denn DAS? Country-Musik! Ein seichtes und entspanntes Dudeln! Ähnlich der langweiligen Popmusik, die ich aus dem Radio kannte. Aber doch kein Hardrock. Am liebsten hätte ich gleich mein großen Cousins angerufen um zu fragen, was da los sein könnte. Uriah Heep waren doch Hardrock, oder? Mein Weltbild wurde erschüttert und Mama hatte etwa 14 Mark für eine beknackte Mistplatte verschwendet, ein Weiterschubsen der Nadel brachte es nämlich an den Tag, die LP ging ebenso scheisse weiter, wie sie begonnen hatte. Und es war Mama schon nicht leicht gefallen, einer gestandenen Dame ordentlicher Herkunft und bürgerlichen Geblüts, überhaupt ein pop-orientiertes Plattengeschäft zu betreten und nach der neuen „Uriah Heep“ zu verlangen. Ach, scheiß was drauf.

Aber in der Überschrift heißt es doch „zweimal fast geweint“?!
Das zweite Mal dann neulich: Uriah Heep waren in einer von irgendeinem hassenswerten Arsch moderierten TV-Sendung zu Gast und spielten ihren Gassenhauer „Lady in Black“. Ein jämmerlicher, fetter Clownsverein, mit ekelhaften langen Haaren, so spießig-schick, da war nichts, was auch nur entfernt an Coolness erinnert hätte, hopste unwürdig herum.
Dümmlich grinsend und hässliche Gitarren unisono schwingend, einfach zum Kotzen! Was quatschte dieser Schmierenkomödiant da? Keine Ahnung, mein Schluchzen und Würgen und Schnauben übertönte das lachhafte Spektakel. Dabei gaben Uriah Heep Jahrzehnte zuvor der Rockmusik und auch dem Heavy Metal doch so unendlich viel, waren einst prägend, innovativ und wichtig. Man denke beispielsweise an den typischen Eunuchengesang, die heavy Männerchöre, alles nicht mehr wegzudenken aus unserer Kultur.

Als Kind fragte ich T’Rutschi einmal, was she came to me one morning, die Anfangszeile von Lady in Black, auf deutsch hieße. T’Rutschi’s augenzwinkernde Antwort war: Sie kämmte mich eines Morgens. Nach den zwei hier erwähnten Tiefschlägen höre ich seither nur noch Musik von ungekämmten Typen ohne Haarspray. (Ausnahme: The Darkness).
Die Kämmerei und die Sprayerei gehen mir auf die Nerven, aber ich habe ja leicht reden, haha.

P.S.: Ja, ja, so war das. Und Country-Anleihen oder solch entspannte laidback Klänge, die ich Uriah Heep damals derart verübelte, lernte ich später sogar schätzen (innocent victim  indes nie).
GUZ von den Aeronauten sang einmal: „Mit dem Alter fängt man an sich für Countrymusik zu interessieren“. Mag ja sein.

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