MOTÖRHEAD: das bemerkenswerte „keys to the kingdom“

 

Welches wohl der ungewöhnlichste Song von Motörhead sei? Die Frage ist ja echt haarig! Für Neunundneunzig Prozent der Menschheit klingt eh alles gleich und dem Rest ist es so egal wie -ach, egal.

Trotzdem, hier wird das jetzt erörtert:

Immerhin geht es um eine der besten Bands der Welt, immerhin feiert der Chaostrupp um Lemmy Kilmister (Let me kill, Mister), diesem zähen Weihnachtsmann, im heurigen Jahr das dreißigste Schaffensjubiläum, welches sie auch zu Feierlichkeiten nach Wiesbaden in den Schlachthof führen wird, am 18. Oktober 2005 nämlich, und ich gehe da wahrscheinlich hin und Bibi vielleicht sogar auch und schliesslich bin ich schon seit mindestens 26 Jahren Fan von Motörhead,

namentlich seit jenem schicksalhaften Tag anno 1979, als unser Nachbarsjunge in Tschernovülbel mir die „Overkill/too late, too late“-Single vorspielte, und ich als neunjähriger wie elektrisiert war und nicht zuletzt angesichts dieses grandiosen, geifernden Höllenhundes auf Cover der 7-Inch-single sofort zum glühenden Verehrer dieser over-the-toppen, superschnellen kratzigen, wüsten und dennoch so puren und gradlinigen Rockmusik wurde. Meine Lieblings-Redensart in diesem Zusammenhang lautet: Lemmy zupft wirklich einen flotten Darm. Wobei die Seiten heute wohl eher aus Metall und Nylon bestehen dürften.

motörhead overkill 1979

Viele werden antworten: Das ganze Album „Another Perfect Day“ von 1983, auf dem Brian Robbo Robertson von Thin Lizzy die Gitarre übernahm, nachdem Fast Eddy Clarke das Handtuch geworfen hatte, war mit seinen Southern Rock-Einflüssen das Merkwürdigste der Bandgeschichte. Den nächsten echten Knüller lieferte Lemmy erst wieder zehn Jahre später: Nach Jahrzehnten heiseren Krächzens sang er seine Antikriegshymne „1916“ mit glockenklarer Chorbubenstimme.
Auf dies alles will ich nicht hinaus. Nach weiteren Äonen mittelprächtiger Produktionen aus Oma Kilmisters Waschküche war es vor einigen Monaten nämlich Zeit für die nächste Überraschung. Genau: Das für mich ungewöhnlichste Stück von Motörhead erschien 2004 auf „Inferno“. Nein, ich meine nicht den „Whorehouse Blues“, der vielfach als so bemerkenswert empfunden wurde, ist ja auch nicht schlecht.

Vielmehr spreche ich von „keys to the kingdom“.

Jawoll, „keys to the kingdom“, welches zunächst mal ganz, ganz konventionell als bluesiger shuffeliger Hardrock-Schleicher loshoppelt, nicht wie die lärmenden Hochgeschwindigkeitsausbrüche, für die die Typen bekannt sind, sondern eben eher diese Boogierock-Schiene, die an zweiter Stelle kommt. Nichts neues und streng regelkonform komponiert. Dädä-Dädä, eine bluesige Strophe, zwei Durchgänge, dann ein Refrain, schön melodiös und gemütlich heavy, düdeldü-dü, ein kleiner Überleitungsschlenker und dann: noch eine Strophe, noch ein Refrain. Bevor das Stück dann mit noch einer Strophe und noch einem Refrain zu Ende geht, passiert etwas, was in vielen oder wenn ichs mir so überleg in fast allen ordentlichen Rocksongs passiert: Es gibt ein Solo, einen Break, also einen Zwischenteil. Aber – jetzt kommt der Gänsehaut-Teil: So ’nen Zwischenteilsolch ein Solo hatte es bei Motörhead in 30 Jahren noch nie gegeben.

Der Moment ist wie in Matrix, wenn plötzlich alles stillsteht und die Coen-Brüder in den Bullet-Time-Modus umschalten. Der Gesang hört auf, der Bass verstummt, nur noch die Rhythmusgitarre gniedelt weiter, verlässt die Bluesstrukturen, steigt in Sphären empor, die an Klassik oder Barock erinnern. Ein Gitarrensolo, ganz gewiss das Melodieverliebteste im bisherigen Leben von Motörhead, setzt ein und Du bist sowieso schon völlig hinüber und fragst Dich, welche Gruppe da doch gleich am Werk ist, wirst nämlich gewahr, dass da im Hintergrund Streicher das Ganze überzuckern. Heisser Scheiss, Mann, und etwas ganz Besonderes. Diese kleine Songperle britischen Rock’n’Roll-Schaffens werde ich mein Leben lang wohl niemals nicht mit Gänsehaut hören.
Aber Hallo, bei Lemmys Warzen. Ach übrigens, während ich dieses bisher längste Posting meines Blogger-Daseins verfasse, läuft der kleine Bluesrockdiamant auch wieder im Repeat-Mode, und neulich in der S-Bahn genauso, im Kopfhörer. Wer soviel Geduld aufbrachte und bis hierher noch dabei ist, kann übrigens einen Preis gewinnen. Einsendeschluss ist der 3. Oktober 2005 und alles was Du tun musst ist einen Kommentar hier hinterlassen, der die Überschrift trägt: „Mein schönstes Erlebnis mit Heavy Metal und einer Sechser-Herrenhandtasche“ und dann natürlich besagtes Erlebnis schildern. Bin gespannt. Was ich verlose, wird noch überlegt. Dosenwurst vielleicht. Einen Sonderpreis könnte e es für denjenigen geben, der alle Fehler, in Grammatik und Inhalt, dieses Eintrags findet. youtube.

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