Ah jetzt, ja. Jetzt fällt mir noch eine GEILE Geschichte ein, die ich schon immer einmal zum Besten geben wollte: Die verdorbenen Chorknaben (1982)

Jetzt bloggich echt schon fast zwei Jahre und immer mal wieder zermarter ich mir’s Oberstübchen nach haarsträubenden Geschichten. Die eine hier, ich glaube, die habe ich noch nicht erzählt. Die mit den „Nutten“ in dem NDW-Hit?!

Das wollt Ihr jetzt wissen, oder?

Also, es war in Tschernovülbel, in einem Abschnitt eines Jahrzehnts, den man heute „frühe Achziger“ nennt. 1982 oder so, unendlich weit weg von der heutigen Welt. So unendlich, dass man manchmal denkt, das wäre eine Epoche, von der in irgendwelchen prähistorischen Höhlenmalereien erzählt wird, oder vielleicht war es auch ein anderer Planet. Aber nein. Es war mein Tschernovülbel, meine und deine Kindheit. Unsere Welt. Die gleiche Person. Seltsam aber wahr.

In einem Schuljahr, das man Förderstufe nannte, weiss nicht, wie das heute heisst, 5. oder 6. Klasse, da war man 11 Jahre alt oder so, da hatten wir in auf unserer Schule, sie hieß zufällig Counterstrike-Deathschool-of-Doom oder so ähnlich, eine Musiklehrerin, die war sehr, sehr alt. Meine Schwestern, Wildrose und T’Rutschi, hatten die auch schon, da war sie schon uralt und die waren bekanntlich schon erwachsen, als ich ein Kind war.
Also echt ein prähistorisches Urgestein.

Als es eines Tages Noten geben sollte in Musik, da kam diese Musiklehrerin, Gräfin Elisabeth Bathory oder wie sie hieß, doch allen Ernstes auf die Idee, wir Kinder müssten EINZELN VOR DER KLASSE VORSINGEN, und dieses ergäbe dann die Zeugnisnote! Sprachs und terminierte ihr Noten-Casting für die folgende Woche, wir sollten uns vorbereiten und jeder sich ein Lied aussuchen und üben! Sie war sehr streng.
Diese Urgesteine legten eine größere Strenge an den Tag, als die jungen Hippielehrer.

Die Mädchen in der Klasse nahmen die Drohung relativ gefasst. So ein Mädchen in diesem Alter ist, sagt man, schon reifer und denkt sich: Na und, was solls, auf die Art sahn‘ ich ’ne gute Note ab, ohne dass mir’n Zacken aus der Krone bricht.“
Aber wir Jungs: Für uns war es eine Katastrophe, wir würden uns zu Tode schämen! Wir kriegten Bauchweh und versuchten, zu protestieren, so gut es bei einer strengen, alten Lehrerin halt geht. „Das können wir nicht!“ jammerten wir. Sie erwiderte: „Na gut: Dann machts in kleinen Gruppen von höchstens vier Buben“.
Und: „Ja, es darf auch Popmusik sein. Muss kein Kinderlied oder Volkslied sein.“ So streng war sie nämlich gar nicht, unsere Elisabeth Bathory.

Okay. Ich tat mich mit Enzo und noch zwei anderen Typen zusammen und wir beratschlagten in der Pause nach der Musikstunde, was wir singen könnten. Ziemlich schnell fiel die Wahl auf „Skandal im Sperrbezirk“ von der Spider Murphy Gang. Der Hit der Stunde! Auf dem Pausenhof waren wir wieder die Kings, große Klappe, die Angst war verflogen und wir waren überzeugt, auch nächste Woche mutig genug zu sein, um die unglaublich versaute Zeile „draussen vor der großen Stadt stehn die NUTTEN sich die Füße platt“ vor der Klasse und der altmodischen hochbetagten Frau Bathory zum besten zu geben. Na und, Nutten! Was ist an Nutten so schlimm, fragt man sich heute! Heute nennen Achtjährige ihre Lehrerin Nutte, damals aber hatten Elfjährige noch erhebliche Skrupel mit so schlimmen Worten. Aber wir hatten es uns geschworen. Wir würden das durchziehn, wir waren wild entschlossen!

Eine Woche verging, und tatsächlich, zuerst sahnten ein oder zwei Weiber mit Kinderliedern ihre Streber-Eins ab, dann kamen wir vier dran. Hatten wir Muffensausen, aber es war ein Schwur.

Ja! Wir haben’s gemacht! Und wie wir geschmettert haben! Sogar die Stelle mit den Nutten haben wir gesungen. Das Wort zwar ziemlich leise, aber trotzdem.

Und Elisabeth Bathory? Fands sogar ganz lustig, glaube ich. Hat natürlich den Kopp geschüttelt und ts, ts, ts gemacht, aber uns nicht ausgeschimpft oder dergleichen. Und eine schöne Zwei für jeden fiel ab.
Wir waren stolz wie Oskar. Zuhause machten unsere Eltern dann ebenfalls ts, ts, ts, grinsten sich aber auch insgeheim einen ab, ist doch logisch!

Danke, liebe Spider Murphy Gang!

Ein anderer Klassenkamerad und Freund, Brebbles, der in unserer Vierergruppe nicht mitmachen konnte, weil er die Nummer fünf gewesen wäre, legte kaum weniger Mut an den Tag. Er sagte: „gut, ich singe allein was vor“.
„Was von Udo Lindenberg“, liess er uns wissen.

Als er an der Reihe war, gab er in einer Art gemurmelten Sprechgesang ein Stück zum besten, dessen Text ich noch heute genau weiss (ich musste NICHT googlen um dies wiedergeben zu können!)
Brebbles murmelte folgende denkwürdige Zeilen von seinem Idol Udo Lindenberg: „In sieben Tagen schuf Gott die Welt, doch sieben Tagen sind echt zu knapp. Am achten tag fand er das auch, schmiss sie ins Klo und zog ab!“

Junge, junge, diese Blasphemie und das negative Weltbild, das aus diesen Zeilen sprach! Mir kam das damals recht krass vor. Krass? Das Wort gab es noch nicht. Abgefahrn.
Aber auch dafür gabs eine Zwei, ein ts, ts, ts und ein schwer zu unterdrückendes Schmunzeln auf dem pergamentenen Altersmund der hochbetagten Musiklehrerin Elisabeth Bathory.

So verkehrt war die gar nicht.

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