THE WITCH – A NEW-ENGLAND FOLKTALE – Filmkritik

„wouldst thou like to live deliciously?“

witch-poster 2016

THE WITCH – A NEW ENGLAND FOLKTALE, das Regie-Debüt des Amerikaners Robert Eggers wurde 2015 auf dem Sundance Filmfestival prämiert und inzwischen von allerhöchsten Instanzen gelobt und gefeiert. Stephen King tat kund, wie angetan er sei. Ebenso freuten sich Satanisten, die Ihre Herzensangelegenheit in einer ihnen zusagenden Weise im Film dargestellt sahen, veranstalteten spezielle Vorführungen in den USA.

Der Film erzählt von einem strengreligiösen Ehepaar, das im Neuengland der Kolonialzeit abseits der Gemeinschaft mit seinen Kindern eine Farm in der Wildnis aufbaut und so entbehrungsreich wie gottesfürchtig lebt, bis die Familie teuflischen Mächten gepiesackt wird und die älteste Tochter Thomasin in den Verdacht der Hexerei gerät und die Ereignisse eskalieren.

Hierzulande zeigten die FANTASYFILMFEST NIGHTS den Film kürzlich in einigen Städten, einen Monat vor seinem regulären Deutschland-Start im Mai. Ich wohnte der ausverkauften Frankfurter Vorstellung am FFFN-Sonntag bei und war begeistert.

Beworben wird THE WITCH – A NEW ENGLAND FOLKTALE als besonders gruseliger Horrorfilm.

Doch diese Schublade passt nicht! Was ich sah, war weit weniger Grusel als vielmehr ein sich unerbittlich steigerndes Drama über das Erwachsenwerden in einer ebenso frommen wie auch unehrlichen Familie. Es sind Hexen beteiligt und der Teufel selbst zeigt sich (unter anderem) als Ziegenbock, doch der wahre Horror wächst von innen heraus aus Mißgunst, aus Verbohrtheit und wenn Frömmigkeit dem freien Geiste und der Entfaltung im Wege steht.

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Der Regisseur war bislang als Produktions- und Kostümdesigner in Erscheinung getreten. Wie das karge Leben des Jahres  1630, jener Zeit, als die Pilgerväter aus England in Neuengland siedelten, bebildert, ausgestattet und zum Leben erweckt wird, zeugt von akribischer Recherche und  vom Gespür für Atmosphäre der Filmemacher.

Robert Eggers sei bei seinem Film die Unterzeile „A NEW ENGLAND FOLKTALE“ wichtig, wird berichtet. Mehr als irgendwelchen Horror-Vorbildern zu huldigen, wolle er eben alten Volkssagen  beschwören.

Dem Amerikanischen Publikum stehen die Geschehnisse um das Thema Hexenverfolgung von Salem historisch näher als uns und Volkssagen aus Neuengland leben dort bis heute fort und sind kulturell verwurzelt. Dies mag dem US-Kinogänger den Einstieg erleichtern, angesichts der erklärenden Unterzeile des Films. Tatsächlich wird der Glaube und Aberglaube der Puritaner im Nordosten Amerikas des siebzehnten Jahrhunderts greifbar, wenn die Protagonisten sogar Originaldialoge aus zeitgenössischen Schriften sprechen, wie im Abspann angegeben wird!

Mir hat sehr geholfen, mich in THE WITCH einzufühlen, dass mich derlei Themen seit jeher fesseln und ich Sachbücher zu meiner Lieblingsliteratur zähle wie das schon einige Jahre alte: JÜRGEN SEBALD – HEXEN DAMALS UND HEUTE. Übrigens ein dicker Tipp, wenngleich Sebald die Hexerei allerdings hierzulande und nicht in Übersee beleuchtet.

hexen sebald

ACHTUNG KLEINER SPOILER:

Hexenwissen verschafft Erkenntnis: „Hexensalben“ oder „Flugsalben“  waren es, was man den Hexen ankreidete und wofür unzählige brennen mussten. Relativ zu Anfang des Films in einer der grausligsten Szenen wird eine solche Flugsalbe hergestellt und sogar erfolgreich am Leibe und am Besen einer Hexe angewandt. (Dies zur Anmerkung, weil manchem es im Kino womöglich entgangen ist…) Wobei ich eher Anhänger jener Theorie bin, nach derer die „Flugsalben“ Halluzinogene wie Bilsenkraut und Tollkirsche enthielten und das „Fliegen“ in einem übertragenen Sinne ermöglichten. Auch ohne die im Film gezeigte lebenden Zutat!!

Der vielschichtige Film funktioniert jedoch allemal auch ohne Wissen über Hexenmedizin und Rechtsgeschichte, sondern vermag auf vielfältigen Ebenen zu fesseln und lässt verschiedene Interpretationen zu.Ich etwa las Religionskritik heraus – andere mögen anderes entnehmen.

Für meinen Geschmack stimmt einfach alles. Übrigens auch die schauspielerischen Leistungen sind hervorragend und neben der faszinierenden Hauptdarstellerin Anya Taylor-Joy als Thomasin erstaunen besonders die Kinder und Jugendlichen, die den dunklen Stoff wunderbar rüberbringen.

Sehr sehenswert! Ab 19. Mai in D regulär im Kino

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